Geschichte wiederholt sich, und dies gilt auch für die Entwicklung technischer Systeme. Technische Systeme haben sich immer wieder verändert – viele dieser Veränderungen waren nicht erfolgreich und sind schnell wieder verschwunden. Wenn man aber die erfolgreichen Systeme analysiert, so ergeben sich verschiedene Muster, die in der Vergangenheit wiederholt aufgetreten sind. Geschichte wiederholt sich, und daher darf man davon ausgehen, dass sich diese Muster auch in der Zukunft wiederholen werden.
Diese Muster werden als Trends bezeichnet. Die Kenntnis dieser Trends ist hilfreich für die eigene Weiterentwicklung technischer Systeme, da man von ihnen lernen kann, in welche Richtung sinnvolle Weiterentwicklungsmöglichkeiten gegeben sind. Man kann Trends in drei große Klassen einteilen:
In gewissen Trends verändern sich bestimmte Eigenschaften mit der Zeit in eine fest vorbestimmte Richtung, und dabei nehmen sie nacheinander bestimmte Ausprägungen an. Ein solcher Trend ist relativ leicht anwendbar: Man bestimmt, wo man sich im Trend befindet, und daraus folgt direkt, wie man das technische System verändern muss, um zur nächsten Stufe zu gelangen. Die einzigen Unsicherheiten sind, wann das System und die verfügbare Technologien reif für diesen Schritt sind, sowie ob es sinnvoll sein könnte, eine Stufe zu überspringen.
Zum Beispiel besagt der Trend der fortschreitenden Dynamisierung, dass ein technisches System
In der technische Evolution von Geräten zur Längenmessung wurden zuerst Gelenke eingefügt, dann wurde das ganze System elastisch und zum Schluss das materielle System durch ein elektromagnetisches Feld ersetzt.
Die ersten Längenmessgeräte wären einfache Meterstäbe. Um sie besser transportieren zu können, wurde der Zollstock mit Gelenken erfunden. Noch besser transportabel ist das Maßband. Es besitzt keine Gelenke zwischen starren Abschnitten mehr, sondern ist als Ganzes elastisch. Beim neuesten Messinstrument, dem Laserabstandmesser, gibt es kein materielles Messmittel mehr, sondern diese Funktion wird von einem elektromagnetischem Feld übernommen. Die Schritte eines flüssigen oder gasförmigen System wurden bei der Evolution der Längenmessgeräte übersprungen, weil ein so verändertes Messsystem keine Vorteile gegenüber einem elastischen System bietet.
Andere Trends beschreiben die Beobachtung, dass sich manche Eigenschaften im Verlaufe der Evolution eines bestimmten technischen Systems in eine bestimmte Richtung bewegen – bei einem anderen technischen System kann sich dieselbe Eigenschaft jedoch in die entgegengesetzte Richtung entwickeln. Um einen solchen Trend anwenden zu können, ist es nicht ausreichend, für ein aktuelles technisches System die momentane Position im Trend zu bestimmen. Vielmehr muss man auch die Bedingungen verstehen, nach denen sich bestimmt, in welche Richtung sich das technische System entwickeln wird. Nicht für alle Trends ist dieses Wissen momentan vorhanden – es gibt also Wissenslücken, aber auch die Hoffnung, dass diese irgendwann einmal geschlossen sein werden.
Ein Beispiel für einen solchen Trends ist der der Wirkungskoordination. Ein jedes Werkzeug ist dafür entwickelt worden, ein Werkstück bzw. Produkt zu bearbeiten, also irgendeine seiner Eigenschaften zu verändern. Die Form des Wechselwirkungsbereichs kann hierbei verschiedene Dimensionalität besitzen. Als Beispiel zeigt die untere Abbildung verschiedene Werkzeuge, um Material von einem Werkstück zu entfernen.
Ein Bohrer macht einen punktförmigen Kontakt mit dem Werkstück, der Wechselwirkungsbereich ist also nulldimensional.
Eine Säge sägt das Werkstück entlang einer Linie, der Wechselwirkungsbereich ist also eindimensional.
Schleifpapier entfernt Material auf einer Fläche, der Wechselwirkungsbereich ist also zweidimensional.
Bei einer Sprengung wird ein ganzes Volumen von Material auf einmal entfernt, der Wechselwirkungsbereich ist also dreidimensional.
Diese drei Werkzeuge entfernen Material von einem Werkstück. Beim einem Bohrer ist der Kontaktbereich ein Punkt (nulldimensional), eine Säge sägt entlang einer Linie (eindimensional), während Sandpapier flächig abträgt.
Der entsprechende Trend besagt, dass die Evolution technischer System entlang dieser Reihe verläuft, die Richtung aber von zwei Kriterien abhängt: Liegen ausreichende Ressourcen Energie, Technologie, …) vor? Ist die Wirkung nützlich oder schädlich?
ausreichende Ressourcen | knappe Ressourcen | |
---|---|---|
Nützliche Wirkung | 0D → 3D | 3D → 0D |
Schädliche Wirkung | 3D → 0D | 0D → 3D |
Zum Erjagens eines Bären ist die menschliche Körperkraft nicht üppig und daher sollte sie mittels einer Waffe mit einer scharfen Spitze auf eine möglichst kleine Fläche konzentriert werden. Zielrichtung der entsprechenden Technikevolution ist also ein null-dimensionaler Wechselwirkungsbereich. Im Vergleich zu einer Fliege ist die menschliche Körperkraft dagegen praktisch unbegrenzt. Daher sollte die entsprechende „Waffe“ eher groß sein, da so die Fliege leichter getroffen werden kann. Die Zielrichtung der Technikevolution ist hier also genau entgegengesetzt.
Eine muskelbetriebene Waffe zur Bärenjagd muss die Kraft auf einen möglichst kleinen Bereich konzentrieren, um gegen einen Bären eine Chance zu haben. Beim Erjagen von Fliegen ist verfügbare Körperkraft kein Problem, und daher kann die entsprechende Waffe einen größeren Bereich abdecken - was die Chance erhöht, die Fliege tatsächlich zu treffen. Steht mehr Energie zur Verfügung, zum Beispiel durch Verwendung von Schwarzpulver an Stelle von Muskelkraft, so werden für die Jagd auf große Tieren jetzt auch Waffen, die wie z.B. Schrotkugeln einen großen Bereich abdecken, interessant.
Wird die Energiequelle gewechselt und an Stelle des menschliches Körper Schießpulver verwendet, so nimmt die verfügbare Kraft um ein Mehrfaches zu und ist nun auch im Vergleich zu einem Bären sehr groß. Daher ist es nun auch bei der Bärenjagd (wie vorher schon bei der Fliegenjagd) sinnvoll, eine möglichst große Fläche abzudecken. Schrottkugeln werden damit zu einer sinnvollen Optionen. Die Richtung der Technikevolution kann sich also umkehren, wenn neue Ressourcen wie z.B. Schießpulver verfügbar werden.
Oftmals sieht man, dass in der Evolution technischer Systeme bestimmte Merkmale wiederholt auftreten, man diese Merkmale aber nicht ordnen, sondern nur auflisten kann. Zum Beispiel erkennt man, dass bestimmte Klassen von Formen immer wieder auftreten:
Zwei Längen der Form ein und derselben Komponente haben eine Beziehung. Zum Beispiel bilden Länge und Breite von DIN-A-Papier das Verhältnis 1:√2, während Länge und Breite eines Ziegels meistens ein Verhältnis 1:2 haben. Nur wegen dieser Eigenschaften erhält man beim Falten eines Papierblattes das nächstkleinere Format und kann man mit Ziegelsteinen auch eine Ecke in einer gleichmäßigen Mauer bauen.
Die Formen zweier verschiedener Komponenten sind identisch. Zum Beispiel müssen die Gewinde von Schrauben und Muttern dieselbe Form besitzen, weil ansonsten die Mutter nicht auf die Schraube passen würde.
Die Form einer Komponente folgt aus Anforderungen der Komponenten seiner Umwelt. Alle ergonomischen Gegenstände besitzen eine Form, die bestimmte Eigenschaften des menschlichen Körpers berücksichtigt.
Die Form des Systems oder seiner Komponenten beruht auf physikalischen Gesetzen. Die Form von Autokarosserien wird heutzutage durch Windkanalexperimente und Simulation der hydrodynamischen Gleichungen bestimmt, um so ein stromlinienförmiges und damit verbrauchsarmes Auto zu erhalten. Da für alle Autos dieselben physikalischen Gesetze gelten, ähneln sich ihre Formen immer mehr.
Es ist offensichtlich, dass man in einem solchen Fall keine Vorhersage machen kann, wie sich ein technisches System weiterentwickeln wird. Man erhält nur eine unsortierte Liste von Vorschlägen, die dann einzeln geprüft werden müssen.