Auch wenn ein technisches System keine speziellen Probleme aufweist, so kann es trotzdem verbessert werden, und zwar indem seine Kosten verringert werden. Damit dieses möglich ist, muss zuerst einmal festgestellt werden, wo im System die Kosten anfallen – in anderen Worten, wie sich die Kosten des technischen Systems auf seine Komponenten verteilen. Diese Kosten müssen dann in Beziehung zu dem Nutzen, den diese Komponente zum System beiträgt, gesetzt werden. Komponenten mit einem schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnis sind dann Kandidaten für einen Problemlösungsprozess, nämlich für das Problem, die Kosten dieser Komponenten zu verringern oder am Besten sogar völlig auf diese Komponente verzichten zu können. Auch für die anderen Komponenten können sich bei der Wertanalyse Ratschläge für das weitere Vorgehen ergeben.
Dieses Vorgehen soll jetzt am Beispiel eines Filzschreibers, wie er bereits im Abschnitt über Funktionsmodelle behandelt worden war, beschrieben werden. Aus einer Komponentenanalyse, wie sie während der Funktionsanalyse durchgeführt wird, ergibt sich eine Liste der Komponenten des Filzschreibers.
Für eine Wertanalyse benötigt man nun die Herstellungskosten für jede Komponente. Oftmals werden in einer Firmenhierachie die tatsächlichen Herstellungskosten als Geheimnis und Machtmittel verwendet und sind daher für die Entwickler nur eingeschränkt verfügbar. In diesem Fall sind auch relative Herstellungskosten der einzelnen Komponenten ausreichend, und solche Information sind meist leichter erhältlich. Für unser Beispiel werden wir die folgenden Komponentenkosten annehmen:
Komponente | Kosten |
---|---|
Einsatzstück | 5 |
Kappe | 15 |
vordere Hülle | 12 |
hintere Hülle | 10 |
Mine | 25 |
Der Nutzen einer Komponente muss nun durch eigene Einschätzung oder durch Expertenbefragung bestimmt werden. Das Ergebnis ist dementsprechend immer mit einer gewissen Unsicherheit versehen. (Ein alternativer Ansatz, der genau dieses Problem umgeht, ist die wertanalytische Betrachtung, die später noch beschrieben werden wird.) Für unser Beispiel nehmen wir die folgenden Nutzen an:
Komponente | Nutzen |
---|---|
Einsatzstück | 10 |
Kappe | 20 |
vordere Hülle | 30 |
hintere Hülle | 20 |
Mine | 50 |
Sowohl für die Kosten als auch für den Nutzen sind nur relative Werte relevant. Daher werden als nächster Schritt die beiden Tabellen jeweils auf eine Skala von 0 bis 100 normiert. Die soll bedeuten, dass die teuerste Komponente die Kosten 100 bekommt, genau wie die nützlichste Komponente den Nutzen 100. Dies ergibt die folgende Tabelle:
Komponente | Kosten | Nutzen |
---|---|---|
Einsatzstück | 20 | 20 |
Kappe | 60 | 40 |
vordere Hülle | 48 | 60 |
hintere Hülle | 40 | 40 |
Mine | 100 | 100 |
Graphisch ergibt sich daraus das folgende Diagramm:
Für jeden der vier Quadranten gibt es nun spezifische Ratschläge für das weitere Vorgehen. Im Quadrant links oben ist alles in Ordnung – die Komponenten sind billig und haben viel Nutzen – so dass es keinen unmittelbaren Anlass gibt, sich intensiver mit diesen Komponenten zu beschäftigen. Komponenten im rechten oberen Quadranten haben einen guten Nutzen, sind aber (zu) teuer. Ratschlag ist daher, nach Möglichkeiten zu suchen, sie billiger zu machen.
Im linken unteren Quadranten sind die Komponenten billig, leisten jedoch (zu) wenig. Daher sollte probiert werden, ihren Nutzen zu erhöhen. Beide Ratschläge führen dazu, dass sich bei einer Umsetzung die entsprechenden Komponenten entlang der eingezeichneten Pfeile bewegen und idealerweise in den linken oberen Quadranten gelangen.
Komponenten im unteren rechten Quadranten sind teuer und haben wenig Nutzen. In diesem Fall lautet der Ratschlag, nicht zu probieren, an diesen Komponenten etwas zu verbessern, sondern die Komponente lieber ganz zu eliminieren.
Für drei der vier Quadranten ergeben sich aus der Wertanalyse also neue Probleme:
Für eine Komponente im rechten oberen Quadranten: Das Problem lautet, wie die Kosten dieser Komponente verringert werden können.
Für eine Komponente im linken unteren Quadranten: Das Problem lautet, welcher zusätzlicher Nutzen dieser Komponente denkbar wäre und wie dieser dann auch realisiert werden könnte.
Für eine Komponente im rechten unteren Quadranten: Das Problem lautet, wie diese Komponente eliminiert werden kann, ohne dass die Funktion des technischen Systems als Ganzes beeinträchtigt wird.
Diese Probleme können dann mittels Problemlösungstechniken behandelt werden. Aufgabe der Wertanalyse ist es also, aus einem ungenau definierten Problem („Filzschreiber soll billiger werden“) ein gut definiertes Problem („Kappe soll eliminiert werden“) gemacht werden.