Zwei technische Systeme, die eine identische oder sehr ähnliche Hauptfunktion erfüllen, heißen konkurrierende Systeme. Für Segelboote und Motorboote ist dieses der Fall: beide sind dafür erfunden worden, um Personen und/oder Güter zu transportieren.
Die beiden technischen Systeme Motorboot und Segelboot erfüllen dieselbe Hauptfunktion, nämlich den Transport von Personen und Gütern über Wasserflächen. Deswegen sind Motorboote und Segelboote konkurrierende Systeme.
Jedes technische System besitzt gewisse Vorteile und gewisse Nachteile. Dies gilt auch für Motorboote und Segelboote. Ein Segelboot verwendet die kostenlos verfügbare Ressource „Wind“ für seinen Vortrieb, während ein Motorboot auf teuren Treibstoff angewiesen ist. Anderseits bedeutet die Verwendung der Ressource Wind, dass ein Segelboot bei bestimmten Wetterlagen nicht oder nur sehr langsam fahren kann.
Motorschiff | Segelschiff | |
---|---|---|
Wetterunabhängigkeit | + | - |
Treibstoffverbrauch | - | + |
Konkurrierende technische Systeme mit entgegengesetzten Vor- und Nachteilen heißen alternative technische Systeme. Motorboote und Segelboote sind also nicht nur konkurrierende, sondern auch alternative technische Systeme.
Das Alternative System Design bietet Ansätze dafür, wie aus zwei alternativen technischen Systemen ein neues System, welches die Vorteile der beiden Ausgangssysteme vereint, konstruiert werden kann.
Eines der beiden alternativen Systeme wird hierbei als Basissystem verwendet. Dieses System soll verbessert werden, indem die Vorteile des anderen Systems in es integriert werden. Für die Wahl des Basissystems gibt es zwei Regeln:
Ist man bereits Hersteller eines der beiden alternativen Systeme, so nimmt man dieses als Basissystem. Das alternative System ist dann das System, welches noch nicht von einem hergestellt wird.
Stellt man keines der beiden alternativen Systeme bereits her (oder aber beide), so nimmt man als Basissystem das System, welches einfacher und/oder billiger ist.
Oftmals beruht der Vorteil, den das alternative technische System aufweist, auf einer bestimmten Komponente des Systems. Besitzt das Basissystem an der entsprechenden Stelle Platz, so kann einfach die gesamte Komponente übertragen werden.
Kommt der Vorteil eines System von einer bestimmten Komponente und ist im alternativen System Platz für diese Komponente, so kann diese Komponente direkt übertragen werden. Der Vorteil eines Segelbootes, einen Antrieb ohne Treibstoffverbrauch zu bieten, liegt an seiner Komponente „Segel“. Der Vorteil eines Motorbootes, einen wetterunabhängigen Antrieb zu bieten, liegt an seiner Komponente „Motor“.
In einem Segelboot ist Platz vorhanden, um einen Motor zu installieren. Auf vielen Motorbooten können dagegen keine Segel installiert werden, da dann das Deck nicht mehr nutzbar wäre.
Besitzt das Basissystem an der Stelle Platz, an der im alternativen System die entsprechende Komponente eingebaut ist, so kann diese einfach in das Basissystem übertragen werden. Die Komponente „Motor“ eines Motorbootes ist im hinteren Teil des Rumpfes eingebaut, und dort gibt es auch in einem Segelboot Platz. Der Vorteil „wetterunabhängiger“ Antrieb eines Motorbootes kann also in das Basissystem Segelboot übertragen werden, indem dort im hinteren Teil des Rumpfes ein Motor eingebaut wird.
Beim Basissystem Motorboot ist die Übertragung des Vorteils „Antrieb ohne Treibstoffverbrauch“ nicht so einfach möglich. Ein Segelboot benötigt einen oder mehrere Masten mit Segeln, und diese Masten müssen zentral über den Rumpf verteilt sein. Dieser Platz wird allerdings auf vielen Motorbooten bereits für andere Zwecke benötigt, z.B. um dort Passagiere oder Fracht unterbringen zu können.
Sind die relevanten Komponenten der beiden Systeme auch dann noch funktionsfähig, wenn sie in kleine Teile zerlegt worden sind, so kann ein Gemisch aus den beiden ursprünglichen Komponenten im neuen System verwendet werden.
Steht kein Platz zur Übertragung der Originalkomponente vom alternativen System in das Basissystem zur Verfügung, so kann unter Umständen die Komponente in Form vieler kleiner Stückchen übertragen werden – sofern sie in kleine Stückchen zerteilt ihre vorteilhafte Funktion noch ausüben kann. Bei einem Motor oder einem Segel ist dieses eher weniger Fall, dagegen insbesondere bei Komponenten, die auf einer chemischen Wirkung beruhen.
Zum Waschen der Haare wird ein Shampoo verwendet, optional gefolgt von einer Haarspülung, auch als Conditioner bezeichnet. Ein Shampoo hat einen pH-Wert größer als 7, wodurch sich die Haarschuppen öffnen, so dass die Reinigung der Haare erleichtert wird. Die Haarspülung fettet das Haar anschließend wieder ein, um die Struktur der Haare zu verbessern.
Shampoo | Haarspülung | |
---|---|---|
Reinigung der Haare | + | - |
Pflege der Haare | - | + |
Ein 2-in-1-Shampoo enthält sowohl ein Shampoo als auch eine Haarspülung, indem die beiden Komponenten einfach miteinander vermischt werden.
Shampoo und Haarspülung sind zwei verschiedene Systeme, die allerdings leicht gemischt werden können.
Ein anderes Beispiel ist die Verwendung von Stahlbeton. Beton hat eine sehr hohe Druckfestigkeit, seine Zugfestigkeit beträgt allerdings nur 10% dieses Wertes. Stahl dagegen ist sehr stabil gegen Zug, kann durch Druck jedoch leicht verformt werden.
Beton | Stahl | |
---|---|---|
Druckfestigkeit | + | - |
Zugfestigkeit | - | + |
Die beiden Vorteile werden in Stahlbeton kombiniert. Die Komponente „Stahl“ wird in kleine Streifen zerschnitten und als Bewehrung in der Komponente „Beton“ eingeschlossen.
Sowohl vollständig aus Beton als auch vollständig aus Stahl können große Bauwerke errichtet werden. Effizienter ist jedoch meistens die Verwendung von Stahlbeton, der aus einer von Beton umgebenen Stahlbewehrung besteht.
Im Rahmen des Alternative Systems Design wurden bisher zwei Ansätze besprochen, wie die Vorteile eines konkurrierenden technischen Systems in ein anderes System übertragen werden können. Beide Ansätze beruhen darauf, die Komponente, an der der Vorteil festgemacht werden kann, zu übertragen – entweder als Ganzes oder in Form vieler kleiner Teile.
Es gibt jedoch auch Fälle, in denen dieses nicht möglich. Es muss dann herausgefunden werden, welches abstrakte Prinzip den jeweiligen Vorteilen der beiden konkurrierenden Systemen zu Grunde liegt – und dieses abstrakte Prinzip muss dann übertragen werden. Dieses ist intellektuell deutlich herausfordernder als die Übertragung einer Komponente. Deswegen wird dieser Ansatz, Feature Transfer genannt, im Folgenden in einem eigenen Abschnitt beschrieben.