Die Analyse ist erst dann beendet, wenn die Grundursachen bestimmt worden sind, d.h., wenn die gefundenen Ursachen keine Zwischenursachen (Zwischenzustände) mehr sind. Wir betrachten hierfür noch einmal den Straßenabfallbehälter. Wir nehmen an, dass es zu Beschwerden über Geruchsbelästigung gekommen ist, womit das Ausgangsproblem definiert ist. Daraufhin wird in einem ersten Schritt die folgende Ursache-Wirkungs-Analyse erstellt.
Dieses Diagramm ist jedoch noch nicht fertig – für zwei der Zwischenzustände können nämlich noch sinnvolle Warum-Fragen gestellt werden, also „Was ist die Bedingung dafür, dass der Zustand eintritt?“ oder „Wovon ist der Zustand kausal abhängig?“ Im konkreten Fall lauten die Fragen also: Was ist die Bedingung dafür, dass im Innern des Abfallbehälters etwas verrottet, und was ist die Bedingung dafür, dass ein Passant den Müll versehentlich statt in den Abfallbehälter neben ihn wirft? Die Beantwortung dieser Fragen führt zu einem vollständigeren Diagramm.
Vollständigere Version des Diagramms aus Erster Versuch einer Ursache-Wirkungs-Analyse betreffend Geruchsbelästigungen vom Abfallbehälter.
Es gibt nun verschiedene Gründe, weswegen sich Feuchtigkeit im Abfallbehälter befinden kann. Diese müssen im Diagramm noch ergänzt werden, um die vollständige Version des Diagramms zu erhalten.
Alle Blätter dieses Baumes sind jetzt Grundursachen. Grundursachen können dadurch erkannt werden, dass eine Frage nach einer Bedingung oder einer kausalen Abhängigkeit nicht sinnvoll oder nicht zielführend ist. Typischerweise gibt es eine Reihe von Gründen, weswegen dies der Fall sein kann.
Die Ursache ist ein Naturgesetz oder etwas Vergleichbares.
Entzündliche Gase bilden sich nun einmal oberhalb des Flammpunktes einer Flüssigkeit. Im wissenschaftlichen Kontext ist die Frage nach dem „warum“ durchaus angebracht und führt zu interessanten Doktorarbeiten, in denen dieses Verhalten mittels Berechnung der interatomaren Kräfte auch erklärt werden kann. Für einen Problemlösungsprozess bringt dieses Vorgehen jedoch wenig, insbesondere weil die interatomaren Kräfte nicht verändert werden können.
Die Ursache ist durch externe Vorgaben bestimmt.
Ein Abfallbehälter, dessen Spezifikation den Einwurf organischer Abfälle verbietet, ist als Produkt sinnlos und damit unverkäuflich. Die Möglichkeit des Einwerfens organischer Abfälle wie z.B. der Reste eines abgegessenen Apfels ist damit eine externe Vorgabe. Elektrische Haushaltsgeräte müssen mit einer Eingangsspannung von 230 V arbeiten, auch wenn aus Sicht des Konstrukteurs eine Spannung von 100 V oder 300 V praktischer wäre.
Die Ursache liegt in der Verantwortung von jemand anderem.
Die Unfallsachverständigen in Eschede fanden heraus, dass der betroffene Radreifen so dünn war, dass er die Belastungen in einem Hochgeschwindigkeitszug gar nicht dauerhaft hätte aushalten können, sondern früher oder später zerspringen musste. Damit war für sie die Arbeit beendet. Es war dann Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die Gründe für die fehlerhaften Wartungsprozesse im Eisenbahnausbesserungswerk genauer zu untersuchen.
In der industriellen Praxis kommt ein solcher Fall sehr häufig bei Zulieferteilen vor. Wird als Ursache eines Problems eine Spezifikationsverletzung einer zugelieferten Komponente gefunden, so wird dieses kurzerhand beim Zulieferer reklamiert – damit ist das Thema für einen selber abgeschlossen. Würde die Komponente dagegen selber hergestellt, so würde die Ursache-Wirkungs-Analyse fortgesetzt werden.
Die Ursache ist eine Grundursache im engeren Sinne.
Dies bedeutet, dass man in einem nächsten Schritt nach Wegen suchen kann, um diese Grundursache abzustellen.
Die drei oberen Fälle beschreiben Ursachen, die zwar Grundursachen sind, aber für den Problemlösungsprozess nicht hilfreich sind, weil sie aus den eben beschriebenen Gründen für ein Abstellen des Ausgangsproblems nicht zur Verfügung stehen. In der folgenden Abbildung sind sie deswegen durch einen weißen Hintergrund weniger prominent dargestellt.
Grundursachen, die keinen Ansatz für eine Problemlösung bieten können, sind in dieser Abbildung mit weißer Hintergrundfarbe eingezeichnet.
Was durch Randbedingungen fest vorgegeben ist, ist nicht immer eindeutig festgelegt. Im Prinzip ist „zu hohe Umgebungstemperatur“ nicht zwingend extern vorgegeben, da der Abfallbehälter mit einer klimatisierten Hütte umgeben werden könnte. Diese Lösung ist ist jedoch sehr umständlich und sehr teuer, so dass sie in der Realität keine Lösungsoption wäre.