Michael Patra

Zielrichtungen in der Entwicklung

Sowohl die ideale Maschine als auch das ideale Endresultat können als virtuelles Ziel in einem Entwicklungsprozess genutzt werden. Virtuell soll hierbei bedeutet, dass man dieses Ziel selten erreichen wird, es aber die Richtung angibt, in die man denken sollte. Die beiden Denkrichtungen sind jedoch in gewissem Sinne genau entgegengesetzt:

Eine ideale Maschine stellt also schärfere Anforderungen als ein ideales Endresultat, gibt dafür aber auch viel mehr Freiheiten für Änderungen.

Gemeinsam ist beiden, dass zu ihrer Umsetzung die konsequente Anwendung von Ressourcen notwendig ist. Bei einem idealen Endresultat liegen die gesuchten Ressourcen primär im System selber, während sie bei der idealen Maschine vorrangig in der Umgebung bzw. im Obersystem gesucht werden müssen.

Die ideale Maschine ist oftmals ein Konzept, das für Entwickler sehr ungewohnt ist. Das ideale Endresultat dagegen bereitet deutlich weniger Verständnisprobleme, da alle Forderungen an ein ideales Endergebnis leicht nachvollziehbar sind – und einige dieser Forderungen in fertigungsnahen Bereichen schon immer gestellt worden sind. Möchte man die ideale Maschine als Richtschnur für ein Entwicklungsprojekt nehmen, so ist auf zwei Dinge zu achten:

  1. Das Ziel der Entwicklung muss die zu lösende Aufgabe beschreiben – nicht einen Weg, diese Aufgabe zu lösen.

    Ein Taschenrechner, also eine Maschine mit kleinen Gummitasten und einem LCD-Display, ist nur einer von mehreren Wegen, die Aufgabe „numerisches Berechnen mathematischer Ausdrücke“ umzusetzen. Die Aufgabe „numerisches Berechnen mathematischer Ausdrücke“ ist also allgemeiner als das Konzept „Taschenrechner“. Nur durch geistiges Entfernen vom Konzept „Taschenrechner“ im Sinne von „Maschine mit kleinen Gummitasten und einem LCD-Display“ und stattdessen Konzentration auf die eigentliche Aufgabe „numerisches Berechnen mathematischer Ausdrücke“ kann eine Lösung wie eine Software auf einem Smartphone gefunden werden.

    Wird die zu lösende Aufgabe nicht allgemein genug formuliert, d.h., die Formulierung enthält bereits Einschränkungen des Lösungsweges (bewusst oder unbewusst), so sinkt die Chance, der idealen Maschine näher zu kommen.

  2. Das Ziel der Entwicklung beschreibt keinen Kompromiss, sondern ein ideales Ziel, also etwas, was man gerne hätte, wenn eine gute Fee einem drei Wünsche gewähren würde.

    Beim Magnetrührer aus Abb.  ist die ideale Maschine nicht etwa ein billigerer Thermostat, sondern die ideale Maschine verzichtet vollkommen auf einen Thermostaten. Beim Taschenrechner aus Abb.  ist ideale Maschine nicht etwa eine einfachere und/oder leistungsfähigere Elektronik, sondern die vollständige Abschaffung aller Elektronik – die Funktion soll gemäß Definition der idealen Maschine vollkommen ohne Kosten oder andere Nebenwirkungen ausgeführt werden.

    Wird bereits in der Festlegung der idealen Maschine ein Kompromiss statt eines Idealzustandes beschrieben, so ist die psychologische Trägheit groß, etwas besseres als diesen Kompromiss zu suchen.

Ein idealer Magnetrührer besitzt keinen besonderes billigen Thermostaten, sondern überhaupt keinen. Der ideale Taschenrechner funktioniert vollkommen ohne elektronische Bauelemente.

Supereffektanalyse